Zündstoff gab es genug bei dieser anregenden und konzeptuell spannenden Tagung, die sich auf aktuell-erhellende Weise den Wechselwirkungen von Politik und Theater, Ideologie und Ästhetik widmete. Gemeinsam plädierten Redner und Diskussionsteilnehmer für die Fortschreibung eines zivilgesellschaftlichen Narrativs, das nicht den Populisten überlassen werden dürfe, weshalb sich Künstler wie Intellektuelle fragen müssten: Wovon wollen wir erzählen? In diesem Sinne kam auch Brecht als Genius Loci wieder zu seinem Recht: „Ändere die Welt, sie braucht es.“
Irene Bazinger: Vielleicht ist unser Geschäft einfach die Krise. Was die Theater erzählen wollen und was nicht: Eine erhellende Tagung zur „Zukunft des Dramas“ in Berlin. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Januar 2017, S. 12.

Dazu auch:
Simone Kaempf: Geschäft in der Krise. In: nachtkritik.de. Presseschau vom 31. Januar 2017


Wenn also, in trotzigem Optimismus, ein Symposium die „Zukunft des Dramas“ zu erörtern verspricht, zeigen dessen Veranstalter Haltung und bringen sich bewusst in Stellung gegen die Attacken der Postdramatik, die auch Angriffe der Gegenwart auf die übrige Zeit, auf Utopie und Überlieferung sind. Nicht allein die selbstbewusste Ankündigung der dreitägigen Veranstaltung, die jetzt im Brecht-Haus in Berlin-Mitte stattfand, auch dessen hochkarätige Besetzung zeigten, dass die wie zementiert anmutenden Gewissheiten der letzten Jahre jäh in Bewegung geraten sind und sich im postdramatischen Beton erste, wenn auch zarte Risse zeigen.
[…]
Die Dramatik ist nicht tot, aber sie ist ins Koma geprügelt worden. Eilends hochgezogene Sichtblenden aus Diskursbeton sollen dafür sorgen, dass die Patientin hinter den Mauern aus dem Blickfeld gerät und vergessen wird. Wer ihre Zukunft will, muss ihr den Boden bereiten. Wer Drama will, muss ein Theater kritisieren, das sich ihm konsequenter denn je verweigert. Eine Bresche hat das von engagierten Diskutanten gut besuchte Symposium dem Drama der Zukunft geschlagen.
Marc Pommerening: Risse in der Mauer der Postdramatik. Ein Symposium im Brecht-Haus in Berlin erörtert die „Zukunft des Dramas“. In: Theater der Zeit 3 (2017), S. 90 f.


Auf der Tagung über Die Zukunft des Dramas in der vergangenen Woche im Berliner Brecht-Haus verständigte man sich über die Gründe dieser offenkundigen Krise. Sind sie in der Realgeschichte zu suchen? […] Oder verschwindet das Drama aus ideologischen Gründen? […]
Mehrere Vortragende versuchten, ausgehend von der Problemlage tatsächlich dramatische Lösungen zu entwickeln […]. So zeichnete Wolfgang Engler soziologische Theorien des 20. Jahrhunderts nach, die in einer zunehmend verwalteten und regulierten Welt Spielräume eigenverantwortlichen Handelns – und damit die Voraussetzung von Drama – schwinden sahen. Doch entstehen in solchen Systemen neue Handlungsstrategien, die darauf zielen, Verantwortung für tatsächliches Tun abzuschieben – Englers Beispiel war die Finanzkrise, für die konkrete Verursacher zu benennen sind. Hier könnte das Drama eingreifen.
Bernd Stegemann […] forderte statt eines […] falschen Authentischen eine ästhetische Darstellung, die Widersprüche aufzeigt; mit Brecht statt einer Konzentration aufs Einzelne eine Dialektik von Allgemeinem und Besonderem.
Jakob Hayner […] frag[te], welchen Gebrauchswert Drama im neoliberalen Kapitalismus hat. […] Das dramatische Spiel bringt ästhetischen Schein hervor, eröffnet also einen Raum des Möglichen; während das plumpe Herzeigen von Realität durch die postmoderne Un-Dramatik nur den ideologischen Schein des Bestehenden verdoppelt. Dies war eine eindrückliche Kritik bestehender Theaterverhältnisse, die auf die Zukunft des Dramas verwies.
Kai Köhler: Was alles wegfällt. Handlung oder Un-Dramatik: Eine Tagung im Berliner Brecht-Haus widmete sich der Zukunft des Dramas. In: junge Welt vom 3. Februar 2017, S. 11


Eine Reaktion auf das Konzept für das Symposion:
Sebastian Kirsch: Was für ein Drama?! Müller gut, Jelinek böse. In: Theater der Zeit 3 (2017), S. 91.

Antwort auf Sebastian Kirsch:
Mirjam Meuser: Gralshüter der Postdramatik. Kommentar zu Kirschs Kontexte „Was für ein Drama?!“ in TdZ 3/2017. In: Theater der Zeit 4 (2017), S. 75.


Abdruck des Konferenzvortrags von Jakob Hayner:
Jakob Hayner: Der Gebrauchswert des Dramas. Eine unzeitgemäße Zukunft (Teil 1 von 2). In: junge Welt vom 18. Februar 2017, Wochenendbeilage S. 6
Jakob Hayner: Der Gebrauchswert des Dramas. Eine unzeitgemäße Zukunft (Teil 2 und Schluss). In: junge Welt vom 25. Februar 2017, Wochenendbeilage S. 6


Abdruck des Konferenzvortrags von Wolfgang Engler:
Wolfgang Engler: Dramen der Handlung. Von Meisterdieben und Krämerseelen – Warum die Postdramatik postheroischen Verhältnissen nicht beizukommen vermag. In: Theater der Zeit 4 (2017), S. 26–30.

Stark erweitert außerdem erschienen als:
Wolfgang Engler: Die Dramen der Handlung. In: Ders.: Authentizität! Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern. Berlin, Theater der Zeit, April 2017, S. 33–92.



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